Experimentelle Daten: Freisetzungsverhalten von Blausäure / HCN
"Experimentelle Untersuchung zum Freisetzungsverhalten von HCN bei störungsbedingter Vermischung von Cyanid und Säure" (Bericht HUS 5373-2; ein Gemeinschaftsprojekt mit der Nehlsen-BWB Flugzeug-Galvanik GmbH & Co. KG, Dresden)
Bei der Ermittlung angemessener Abstände (Sicherheitsabstand) für Galvanikanlagen nach den Vorgaben KAS-32 Nr. 3.4 treten erhebliche Probleme auf. Die nachfolgenden experimentellen Ergebnisse führen zu einer höheren Planungssicherheit.
zeitlicher Verlauf der HCN-Emission
Der erste Messwert im Diagramm entspricht der HCN-Freisetzung während der Vermischungsdauer (Dosierzeit). Entgegen der Erwartung werden unter den gegebenen experimentellen Bedingungen nur 5% bis max. 20% der stöchiometrischen HCN-Menge überhaupt freigesetzt, davon der größte Anteil während der Dosierzeit. Die Haupttriebkraft der HCN-Emission ist die an der Vermischungsstelle auftretende Wärmetönung (Eintrag konz. H2SO4 zu alkalischem Bad). Die für eine Ausbreitungsrechnung relevante Maximalrate tritt also nur während der Stoffvermischung auf. Es ergeben sich somit erheblich verringerte HCN-Immissionskonzentrationen bei der Berechnung störfallbedingter Freisetzungen gegenüber der Vorgehensweise nach Regelwerk KAS-32 (dieses geht von stöchiometrischer Freisetzung im Zeitraum von wenigstens drei Minuten aus).
Vergleich von HCN-Quellstärken [g/s] nach Regelwerk und auf Grundlage experimenteller Daten
Szenario (HUS 4133-1) |
Berechnung nach KAS-32 |
Berechnung auf Grundlage experimenteller Daten |
---|---|---|
Eintrag Cyanid in saures Bad |
||
Fall 2.1 |
69,1 |
4,6 |
Fall 2.2 |
69,1 |
0,41 |
Fall 2.3 |
91,8 |
0,33 |
Fall 2.4 |
91,8 |
2,8 |
Eintrag Säure in cyanidisches Bad |
||
Fall 3.1 |
323,5 |
11,9 |
Fall 3.2 |
95,3 |
10,3 |
Fall 3.3 |
323,5 |
31,5 |
Fall 3.4 |
100,5 |
13,7 |
Die auf experimenteller Grundlage ermittelten Werte verhalten sich nicht proportional zur stöchiometrischen Berechnung nach KAS-32, weil emissionsbestimmende Faktoren (z.B. Größe der Badoberfläche, Verhältnis Oberfläche/Volumen, Strömungsgeschwindigkeit Badabsaugung) zur Abbildung des realen Emissionsverhaltens mit einzubeziehen sind. Die experimentellen Freisetzungsraten können also nicht 1:1 auf reale Verhältnisse übertragen werden.
Die erheblich verringerten Quellstärken resultieren insbesondere aus der hohen Affinität des Cyanwasserstoffs zu Wasser. Ein Großteil des reaktiv gebildeten Cyanwasserstoffs verbleibt im wässrigen Milieu (z.B. auch in Schwefelsäure) gelöst und gast mit sehr geringer Quellstärke, aber über einen langen Zeitraum aus. Dies ist insbesondere daran erkennbar, dass beim Eintrag von Cyanid zu Säure zwar stöchiometrischer Umsatz erfolgt, die HCN-Freisetzungsrate aber dennoch sehr gering ist.
Fazit:
Auf Grundlage der experimentellen Ergebnisse sind wir nunmehr in der Lage, eine praxisrelevante Beurteilung störungsbedingter HCN-Freisetzungen vorzunehmen.
Versuchsaufbau HCN-Freisetzung